Interview mit der Projektgruppe „Ideenstadt Düsseldorf“ (Auszüge)
Frau Wenzel, was zeichnet Düsseldorf als Kreativstandort aus?
„Düsseldorf ist weltoffen. Eine Mischung aus lässigem Stil, gepaart mit Lebendigkeit und der zupackenden Art der Networks aus dem New Yorker Amerika, angeführt etwa von BBDO Worldwide. Der raue Wind weht bis hier rüber, hier bleibt man wach.
Und nichts ist in unserem Beruf wichtiger als die vergleichende Anschauung mit der Welt. So gesehen ist Düsseldorf ein inspirierender Kreativstandort.“
Gab oder gibt es einen typischen „Düsseldorfer Stil“?
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„Einen typischen Düsseldorfer Stil kann ich eigentlich nicht erkennen. Nicht in der Werbung, nicht im Design, nicht in der Kunst. Denn Gerhard Richter, auch Günther Uecker, sind ja längst international. Und unsere Stadt hat keinen Milton Glaser, der viele Titelseiten des berühmten Magazins „LIFE“ entwarf und weltweit berühmt wurde durch sein „I (love) N.Y.“ Damit kann Düsseldorf spezifisch kaum dienen, auch Hamburg nicht, leider eben auch nicht Berlin.
Wir müssen nicht Städte, wir müssen Deutschland sehen. Es gibt hier nicht die Leidenschaft eines Steve Jobs, der durch seine visuellen Visionen Apple erfand und damit zum ersten Designer der Welt wurde.“
Schildern Sie uns bitte die Düsseldorfer Kreativszene zur Zeit Ihres Studiums, Ihrer Zeit bei BBDO und bei Ihrer Bürogründung im Jahr 2000?
„Mein Weg in die Kreativszene begann mit einem Kunststudium bei Joseph Beuys.
Nach 4 Semestern allzu freien Schaffens die erste Sinnsuche, es folgte ein Wechsel in die Visuelle Kommunikation. Hier die Entdeckung konzeptionellen Denkens. Schließlich mein Examen in Grafik Design.
Was die Werbung betrifft, waren GGK und Team die interessantesten Agenturen. Zwei, die unterschiedlicher nicht sein konnten. GGK war ja für seine Jägermeister Kampagne berühmt "ich trinke Jägermeister weil …" Jede Anzeige ein Unikat, immer neue Leute, immer neue Sprüche. Die erste gute Testimonial Kampagne. Ich erinnere mich an die IBM Anzeige, in der einfach nur ein Wort stand: „Schreibmaschine“, das war Führungs-anspruch! Oder die Pfanni Plakatkampagne, die mit Riesen-Kartoffelpuffern in der ganzen Stadt von sich reden machte ...
Die Jungs bei TEAM/BBDO (es waren tatsächlich nur Jungs!) machten ganz andere Sachen. Die hatten den Kaffee-Experten von Tchibo, Hermann Josef Abs als Königtreuen für König Pilsener oder später Bob Beck, den Typ, der meilenweit für eine Camel ging. Alles kraftvolle Kaliber, genauso wie deren Macher: Vilim Vasata, Jürgen Scholz, Michael Hausberger und Eckard Rössler, der in den 80ern den legendären Spot mit der Sprungschanze für Audi kreierte.
Ich selbst hatte später ebenfalls das Glück, Dr. Leo König, den Brauereibesitzer, kennenzulernen. Ein echter Unternehmer, ein mutiger Entscheider, ausgestattet mit der Fähigkeit, große Ideen sofort zu erkennen, selbst, wenn sie noch nicht ganz fertig waren. Das war sehr motivierend. Für König Pilsener entwickelten wir die Print Kampagne des Jahres - ich glaube – 1986, total reduziert und fokussiert. Den Auftakt bildete das Motiv "Dame mit König". Ich schrieb den Text, Vilim Vasata schuf das Layout. Womit wir bei gutem Grafik Design wären.
Um gleich mit einem gängigen Missverständnis aufzuräumen: Natürlich sucht Grafik Design die absolute Beherrschung der Form. Wichtig aber erscheint mir: Form ist nicht willkürlich. Das ist entscheidend. Wenn Grafik Design nur der Kunst dienen will, dann steht es für sich. In der Regel aber steht beherrschtes Grafik Design für den Transport von Inhalt und eben nicht alleine für sich.
Mit der König Pilsener Kampagne gewann ich meinen ersten Award. Es folgten unzählige Anzeigen für Bunte und die Freizeit Revue, die ebenfalls ausgezeichnet wurden. Die Leni Riefenstahl Kampagne zum Beispiel.
Je sicherer ich wurde, desto freier wurde mein Ausdruck. Die Sachen hatten jetzt mehr mit mir selbst zu tun, spiegelten auch mich, die Konsumentin. Man nehme die Dr. Oetker TV Spots, den Russischen Zupfkuchen. Diebels, ein schöner Tag. Schöfferhofer, das Prickeln im Bauchnabel ...“
Was hat sich verändert?
Niemand ist heute mehr allein. Die weltumspannenden sozialen Netzwerke, wie Facebook und Twitter, haben uns alle zusammengebracht. Aber auch auseinander zur selben Zeit. Mit Blick auf Stil und Form scheint unsere „Klick“-Gesellschaft grenzenlos tolerant geworden. Niemand scheint zu stören, dass Grafik Design zum elektronischen „Schweinebauch“ mutiert.
Das Grafik Design, die Form, unterwirft sich dem Nutzen unserer Gesellschaften. Eine echte Herausforderung für uns Gestalter.
Welche Entwicklung sehen Sie für die Zukunft?
„Ich sehe unsere Aufgabe in einer neuen, entschiedenen, mutigen Konzentration. Große, medienübergreifende Ideen sind nötig. Erinnern Sie sich an „Yes, we can.“ Es ist das Denken, das uns bestimmt. Das gilt für Düsseldorf ebenso wie für Korea, Peking und Washington. Und eben auch für Design und Werbung.“
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W&V Interview zum Thema „Frauen und Karriere“
Frau Wenzel, Sie sind eine der wenigen Frauen, die es in der Agenturbranche bis ganz nach oben geschafft haben. Viel hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht geändert: In Führungspositionen sind Chefinnen immer noch rar, obwohl alle vom Female Shift sprechen und die Wirtschaft in vielen Bereichen weiblicher wurde. Wie erklären Sie sich das?
„Ehrlich gesagt, überrascht mich das. Heute gibt es so viele Möglichkeiten, das Leben flexibler zu gestalten. Man klebt nicht mehr am Schreibtisch, kann imPrinzip von überall aus arbeiten. Aber Frauen bekommen nun mal die Kinder, und ich glaube, Entscheider haben immer noch Angst davor, dass die Mitarbeiterinnen schwanger werden und erst einmal ausfallen.“
Zeitgemäß ist das nicht.
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„Nein. Aber bei den guten Unternehmen findet langsam ein Umdenken statt. Sie machen beides möglich: Karriere und Familie.“
War Ihnen von Anfang an klar, dass Sie die Karriereleiter hinauf wollten? Haben Sie eine Strategie verfolgt?
„Es begann ganz unspektakulär. Ich habe im Februar 1979 als Junior-Texterin bei Team BBDO begonnen und Beipackzettel für Biovital getextet. Dann kam kurz darauf Camel, das war ein Riesensprung für mich. Wir erfanden die Camel Trophy, als Texterin war ich daran maßgeblich beteiligt. Ich habe die Trophy im Jeep durch Sumatra begleitet – eine große Herausforderung, auch körperlich. Die Jungs in der Chefetage aber taten so, als hätte ich eine Incentive Reise gewonnen. Es waren ja nur Männer in den Führungspositionen. Aber ich bin mit meinen Aufgaben gewachsen. Ich konnte immer mehr, als ich verdiente. Unterbezahlt zu sein machte mich stärker und sicherer.“
Auch heute noch verdienen Frauen für die gleiche Leistung durchschnittlich weniger als Männer. Sie haben sich durchgesetzt. Verraten Sie uns bitte wie.
„Ich hatte im Kino den Film Wallstreet gesehen. Der inspirierte mich, um nicht zu sagen, Gordon Gekko stachelte mich auf. Danach dachte ich mir: Ichmuss mehr Geld verdienen und ich will Partner werden. Es konnte keiner etwas dagegen sagen, weil alle wussten, dass ich es verdiene. Auch mein Executive CD.“
War er eine Art Mentor für Sie?
Nein, er war ein Macho und ein strenger und sehr kritischer Vorgesetzter, einzig an guter Arbeit interessiert. Ich erinnere mich an viele Meetings um Mitternacht, nachdem er von der Spätvorstellung aus dem Kino zurückkam. Ich hatte irgendwann eine Couch im Büro...
... Klingt fast wie aus „Mad Man“.
„Ja, aber ich wollte so gut werden wie er. Ich habe zerknüllte Blätter mit Headlines aus seinem Papierkorb geholt und mich gefragt, warum er die weggeschmissen hat. Zweihundert Headline-Versuche für eine einzige Anzeige waren damals keine Seltenheit.“
Also waren Sie durchaus sehr ehrgeizig.
„Ich wollte etwas bewirken. Als ich entdeckte, dass Kunden darauf hören, was ist sage, und es sich auszahlt, fand ich das toll. Ein Beispiel: Wir führten für Dr. Oetker den Russischen Zupfkuchen ein und entwickelten einen Spot dafür. Drei Tage nachdem er geschaltet worden war, waren die Backmischungen ausverkauft. Ich war immer an der Sache interessiert, an den Kunden. Das ist auch heute noch so. Die eigene Karriere folgte. Empathie gehört dazu, die Bereitschaft, uneigennützig die Probleme des Kunden zu lösen.“
Haben Sie Opfer für Ihren Job erbracht?
„Ich habe keine Kinder. Ich war so fasziniert von meiner Aufgabe, dass ich das verpasst habe. Ich versuche durchaus, soviel wie möglich vom Leben mitzukriegen. Ich habe großes Glück gehabt mit der Wahl meines Berufes und dem bisherigen Verlauf meines Lebens. Ich kreiere Konzepte, führe Regie, produziere selbst, kann meine Liebe zur Musik einbringen und arbeite mit inspirierten Leuten. Hier und in Frankreich, wohin ich mich, so oft es geht, zurückziehe.“
Sie erwähnten Ihre Fähigkeit zur Empathie, die gemeinhin Frauen zugesprochen wird. Sind Frauen die besseren Kreativen?
„Ich denke, es kommt darauf an, ob ein Mensch in sich ruht. Und was ihm seine Eltern vorgelebt haben. Das ist meiner Erfahrung nach unabhängig vom Geschlecht.“
Haben Sie Diskriminierung aufgrund Ihres Geschlechts erlebt?
„Nie. Ich fühlte mich immer wohl als Frau zwischen Männern. Hier lernte ich aus nächster Nähe, auch mal auszuteilen, natürlich mit einem charmanten Lächeln. Ich sage, was ich denke. Ich erinnere mich an eine Arbeit mit Helmut Dietl. Er sagte damals, er erkenne Opfertypen. Ein solcher Typ bin ich nicht.“
Hat es die heutige Frauengeneration leichter, Karriere zu machen?
„Ja, ich glaube schon. Aber man muss auch den Willen mitbringen. Ich habe heute schon oft den Eindruck, dass die jungen Leute es nicht gewohnt sind, sich durchzubeißen. Man muss dranbleiben, um ein Ergebnis zu erzielen. Good things take a while. Steven Soderbergh brauchte 13 Jahre, um den Film „Behind the Candelabra“ zu realisieren.“
Sie haben sich nach 20 Jahren bei BBDO Anfang 2000 mit Ihrer eigenen Agentur selbstständig gemacht. Warum?
„Mit 46 habe ich mich gefragt: Was kommt jetzt? Freiheit war ein gutes Ziel. Und das Jahr 2000 hatte etwas Magisches. Hinzu kam: Alle wesentlichen Partner haben BBDO verlassen. Ich habe den Schritt in die Selbstständigkeit nie bereut. Ich kann freier und breiter arbeiten.“
Sind Sie für eine Frauenquote in Führungspositionen?
„Nein. Wenn Frauen gut sind, schaffen sie es auch ohne Quote. Das Gute setzt sich immer durch.“
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Krone Interview zum Thema „emotionale Werbung und unkonventionelle Arbeitsweisen“ (Auszüge)
Frau Wenzel, Sie gelten als Pionierin der emotionalen Werbung und haben Wege beschritten, die vor Ihnen noch keiner begangen hatte. Sind Sie besonders mutig?
„Ich denke, es ist weniger eine Frage des Mutes, denn viel mehr der Entschiedenheit.
Man muss wissen, wann was zu tun ist. Ich habe mit der emotionalen Markenführung in einer Zeit begonnen, als Werbung generell noch recht „cool“ war, das brachte die notwendige Aufmerksamkeit. Timing also.
Mich unterscheidet von vielen Werbeagenturen, dass ich nicht auf Awards hinarbeite, sondern nur das mache, was ich für die Marke wirklich gut und richtig finde. Bei aller Professionalität, die ich im Laufe der Jahre erlangt habe, ich lasse mich zunächst als Konsument leiten. Wenn Sie so wollen, ist mir meine persönliche Meinung ungeheuer wichtig (lacht). Wenn ich eine Gänsehaut bekomme, dann geschieht beim Konsumenten das gleiche. Mir sind meine Emotionen nicht peinlich.
Um zu verstehen, was die Leute bewegt, was sie sich wünschen und warum, muss ich mit ihnen auf Augenhöhe sein, mich, wenn es sein muss, auch mal klein machen. Wenn man das nicht kann, bekommt man zum wahren Leben keinen Zugang, dann machen die Leute dicht vor lauter Respekt, haben kein Vertrauen, sich zu offenbaren. Ob eine Kampagne Relevanz hat oder nicht, hängt also ganz stark davon ab, wie nah man an den Menschen ist.“
Ihre Werbung hat einen starken Wiedererkennungswert.
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„Ja, es passiert mir hin und wieder, dass mich Leute anrufen, die einen bestimmten Film gesehen haben, und mich fragen, ob der von mir sei. Scheinbar kann man meine Arbeit wirklich sehr schnell wiedererkennen, obwohl ich das selbst gar nicht so spüre. Das bin eben ich.“
Wie ist der Erfolg ihrer Arbeit messbar?
„Na ja, ich stehe nun schon seit Jahrzehnten mit den großen Konzernen im engen Kontakt, und man beobachtet sehr genau die Verschiebungen im Markt. Aber der beste Indikator für gute Arbeit sind Aufträge für neue Kampagnen.“
Gelten Sie in der Branche nicht längst als sichere Nummer?
„Doch, ich denke schon. Ob Sie es glauben oder nicht, emotionale Markenführung wird vor allem mit dem Verstand gemacht. Hinter jedem Wimpernschlag steckt ein Kalkül, alles ist bis ins Detail geplant. Und um das wirklich genauso umzusetzen, wie ich es mir vorstelle, führe ich heute auch Regie. Es war früher sehr mühsam, dem Regisseur meine genauen Vorstellungen zu vermitteln, und viele habe ich mit Sicherheit auch in den Wahnsinn getrieben. Aber ich habe nun mal eine ganz klare Vorstellung, ein exaktes Bild im Kopf – und will es eben auch genau so umgesetzt sehen.“
Was treibt Sie heute noch an?
„Kreativ zu sein! Es ist eine große Befriedigung, wenn am Ende alles so passt, wie ich es mir anfangs vorgestellt habe. Und natürlich ist mir die Bestätigung von Kunden und Konsumenten immens wichtig.“
Sie machen auf mich einen sehr jugendlichen Eindruck. Hält die Werbebranche jung?
„Ja, mit Sicherheit!“
Vielleicht sogar zwangsläufig, weil Sie immer wissen müssen, was gerade angesagt ist?
„Auch. Ich beobachte die Welt und das Leben sehr genau. Ich spüre Trends auch kommen, klar. Wenn ich mich in der gedanklichen Konstruktion einer Kampagne befinde, startet eine selektive Wahrnehmung. Manchmal höre ich etwas im Radio, sei es nur einen Satz, der sonst vollkommen belanglos wäre, aber in mir löst er einen Reiz aus und die Dinge fügen sich ineinander. Es ist nicht so, dass ich am Tisch sitze und versuche, etwas zu kreieren, obwohl das auch vorkommt, aber meistens verzweifele ich dann. Es gibt ja dieses berühmte weiße Blatt Papier, das einen fertig macht. Die wirklich guten Ideen kommen mir in Situationen, die eigentlich mit dem Arbeitsumfeld nichts zu tun haben. Zum Beispiel, wenn ich mit meinem Hund wandere. Ich habe die Aufgabe immer dabei, im Kopf, egal wo ich bin, sie lässt mich nicht los. So lange, bis ich sie gelöst habe.“
Verspüren Sie eine innere Unruhe?
„Manchmal ist das so, aber ich habe einen guten Therapeuten. Meinen Garten.“
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